Freitag, 10. Februar 2017

Wasserfall und Festival

Ich kann es kaum glauben, aber es ist schon fünf Wochen her, seit ich in Köln ins Flugzeug gestiegen und hergeflogen bin. Die Zeit ist wirklich schnell vergangen.
 

Mit meinen Berichten hänge ich jetzt schon zwei Wochen hinterher, deswegen folgt jetzt erstmal ein Post über das Wochenende vom 28. - 30. Januar (der 30. war ein Feiertag – also eigentlich der 27. als Gedenktag an Juan Pablo Duarte, einen dominikanischen Freiheitskämpfer, nach dem hier auch der höchste Berg benannt ist). 

Am 28. bin ich mit Alica und Fabienne zum Wasserfall El Limón gefahren. Zuerst mit der Guagua. Dort angekommen sind wir dann für 16$ auf sehr mageren Pferdchen bergauf, bergab ca. 35 Minuten zum Wasserfall geritten. Ich wäre ja lieber gelaufen (auch wenn der Weg alles andere als einladend ist – sehr steil, steinig und schlammig), aber die anderen beiden wollten lieber reiten. Das letzte Stück zum über 50m hohen Wasserfall muss aber trotzdem zu Fuß zurückgelegt werden. Als wir ankommen, sind noch recht viele Menschen da, aber am Ende sind wir ganz allein und können unsere Touri-Fotos machen. Den ursprünglichen Plan schwimmen zu gehen, setzen wir nicht um, weil es doch recht frisch ist. Dann geht es auch schon wieder zurück. An einem Stand holen wir uns zusammen für 100 Pesos unsere erste frische Kokosnuss. Und ich bin etwas enttäuscht. Weder das Kokosnusswasser noch das Fruchtfleisch schmecken wie erwartet. Anders als gewohnt ist das Fruchtfleisch auch ganz labbrig und weich. Inzwischen habe ich noch zwei weitere Kokosnüsse probiert und vor allem die letzte war wirklich lecker. Immer mindestens eine zweite Chance geben ;)



Wir tun dem Ladenbesitzer dort auch noch den Gefallen und schauen uns ein wenig um. Nachdem ich beim Ausflug zum Strand mit den Kindern am vorhergegangenen Donnerstag einige schöne Muscheln und versteinerte Korallen gefunden habe, suche ich eine Kette, um sie zu befestigen. Also nur ein Band. Als ich frage, sagt er zuerst, das gäbe es leider nicht. Und findet dann doch eine leere Kette, die er mir sogar schenkt. Ich finde auch noch einen richtig schönen Ring, den man umklappen und beidseitig tragen kann. Auf der einen Seite ist ein Larimar (ein Edelstein, den es nur hier gibt) in Silber gefasst, auf der anderen eine rote Koralle. Leider ist er mir zu groß. Ich hoffe, dass ich anderswo nochmal so einen finde, der mir passt, das wäre ein schönes Souvenir. Wir haben Glück, im Anschluss an den Rückritt fährt direkt eine Guagua nach Samaná vorbei, die wir nehmen können. Abends treffen wir uns nochmal zum Pizza essen und schauen anschließend noch beim Festival de Ballenas vorbei, dass an diesem Wochenende stattfindet. Es ist aber überhaupt nichts los. Als ich nach Hause komme, weiß ich auch wieder warum: Das entscheidende Baseballspiel Licey gegen Aguilas läuft noch.

Baseball – das hab ich bisher noch gar nicht erwähnt – ist hier Nationalsport und sorgt für große Begeisterung. Es fing damit an, dass am Dienstag der Woche abends so gegen 22 Uhr auf der Straße plötzlich Lärm ausbrach. Jubel, Rufen, es klang, als würde jemand auf Töpfe schlagen. Am nächsten Abend dasselbe Spektakel. Julia wusste auch nicht, was los ist, bis wir dann rausgelaufen sind, um nachzuschauen und uns dann erklärt wurde, dass gerade die Baseballmannschaft Licey – Los Azules – ein Spiel gewonnen hätten und die Leute das feiern. Am Donnerstagabend wurde ich dann zum Spiel schauen von unserem Nachbarn Ephraim eingeladen – die Tür stand offen und Julia saß auch schon drinnen. Auch nach Durchlesen der Regeln bei Wikipedia bin ich nicht ganz durchgestiegen, aber immerhin einigermaßen. So richtig gepackt hat mich das Spiel allerdings nicht. Unsere Spanischlehrerin Ana, die auch noch dazukam, meinte dann, wenn ich mal einen dominikanischen Mann hätte, müsste ich dafür aber auch Begeisterung entwickeln. Da ich das nicht vorhabe, darf es wohl bei meinem geringen Interesse bleiben. Ich bin dann auch noch vor Ende des Spiels ins Bett gegangen – und wurde später noch ein wenig vom Jubel wachgehalten. Am Tag drauf haben wir Baseball auch nochmal im Spanischunterricht thematisiert und Ana war regelrecht schockiert zu erfahren, dass von uns drei Deutschen – zwei Jungs und ich – keiner Fußballfan ist. Außer vielleicht bei der WM und Laurenz noch nicht mal dann. Komische Deutsche sind wir.

Am Sonntagmorgen sollte es dann früh mit einem Shuttle nach El Valle gehen, wo das Festival Quelonios stattfindet. Untertitel des Festivals: „Musica, Arte, Medio ambiente (Musik, Kunst, Umwelt)“. „Quelonios“ werden die großen Meeresschildkröten genannt, die gefährdet sind und am Strand von El Valle ihre Eier ablegen. Ein kleines Video von El Valle kann man hier ansehen https://www.youtube.com/watch?v=6QZE6CQ2qLk

Es hieß Abfahrt um 8 Uhr, also stehe ich um 6.15 Uhr auf. Julia und ich laufen zusammen los und sind dann um 8.15 Uhr da, die anderen von uns auch. Etwas später trifft auch das Shuttle – so eine Art offener Safaribus – ein. Bis er dann tatsächlich losfährt, wird es aber 9.30 Uhr. Zwischendurch wird nochmal in Samaná angehalten, 100m rückwärts gefahren, statt zu drehen, um noch irgendwen mitzunehmen. Außer uns sind noch einige Dominikaner mit an Bord, die am frühen Morgen schon äußerst gut gelaunt und entsprechend laut sind. Dazu wird dann noch die Musik aufgedreht. Ein großer Lautsprecher gehört hier in jedem Fahrzeug zur Grundausstattung. Wir Deutschen (und eine Amerikanerin und eine Schweizerin) fallen eher durch unsere Stille auf. Die Fahrt geht irgendwann runter vom Asphalt, bergauf, bergab über Stock und Stein und durch einen Fluss. Jetzt verstehe ich auch, warum die meisten (also die, die es sich leisten können) hier Pick-ups und SUVs fahren. Mit dem Motoconcho geht es aber natürlich auch ;)

Irgendwann nach 10 Uhr kommen wir an. Am Veranstaltungsort selbst ist noch nichts los. Die eigentlich für 11 Uhr angesetzte Podiumsdiskussion zum Thema Schildkröten und Umwelt findet letztendlich um 17 Uhr parallel zum Yoga am Strand statt. Die Bühne ist noch nicht in Sicht und bisher gibt es auch noch keinen Strom. Also machen wir erstmal Gruppenfotos. Dafür bin ich in Abwesenheit des Multimedia-Teams quasi als Urlaubsvertretung zuständig. So ist auch meine Aufgabe beim Festival Fotos und Videos zu machen, aus denen nachher ein kleiner Teaser/Trailer für das Festival zusammengeschnitten werden kann. Eine recht dankbare Aufgabe – ein paar Fotos am Strand, von der Bühne, der Slackline, den Zelten, etc. und ein paar Eindrücke filmen. Das einzig nervige daran ist, dass ich die Kameratasche die ganze Zeit mit mir herumtragen muss. Da immer noch nichts los ist, gehen wir um 12 Uhr erstmal was essen. Und erfahren nachher, dass es für uns als Helfer kostenlos gewesen wäre. Die Gutscheine haben wir dummerweise erst nachher bekommen. Na ja, dafür waren der Reis mit Bohnen, die Tostones, Pommes und der Salat lecker. Die meiste Zeit des Nachmittags verbringe ich dann mit Fabienne zwischen Slackline und Zeltplatz, die wir beaufsichtigen. 


Anfangs bin ich vom Festival etwas enttäuscht und überlege, ob ich wirklich über Nacht bleiben will. So war es ursprünglich geplant und ich habe auch alles Notwendige dabei. Aber mir erscheint es vor Ort dann nicht mehr so attraktiv. Vor allem, weil die Toilette richtig eklig ist. Nach meinem ersten Besuch dort, ziehe ich die Büsche vor. Außerdem befürchte ich, dass es nachts ziemlich kalt und laut sein wird – ordentlich Campingausrüstung habe ich natürlich nicht dabei. Im Laufe des Nachmittags wird es dann aber noch ziemlich cool. Wir treffen ein paar andere deutsche Freiwillige, z.B. Sarah und Marlen aus Münster, die in Santo Domingo für ein Jahr in einer Behindertenwerkstatt arbeiten. Die beiden schließen sich uns dann auch für den Rest des Abends an. Außerdem treffe ich eine HTWG-Studentin, die gerade hier ihr Praxissemester macht. Über Laurenz Freundin Mathilda lernen wir noch eine weitere Gruppe Freiwillige und einen Dominikaner, Moses, kennen. Mit ihm unterhalte ich mich länger und da er um die Probleme mit der Verständlichkeit des dominikanischen Spanischs weiß, spricht er „normales“ Spanisch, dass ich gut verstehe. Zwischendurch wechseln wir auch ins Englische. Von Moses lerne ich auch einen Wortwechsel, der die Eigenarten des dominikanischen Spanischs zeigt: „Taco ‘tá ‘qui? No, Taco no ‘tá ‘qui, Taco ‘tá ‘cotao“. Eigentlich würde man sagen: „Taco está aqui? No, Taco no está aqui, Taco está acostado.“ (Ist Taco da? Nein, Taco ist nicht da, Taco ist im Bett.) Ihr seht vielleicht, dass da ein paar Buchstaben fehlen. Schnell gesprochen hat man dann einfach so gut wie keine Chance das zu verstehen. Ich jedenfalls nicht. Andalusien und Dominikanische Republik – für’s Spanischlernen waren meine bisherigen Aufenthalte im spanischsprachigen Ausland nicht ideal gewählt. Tatsächlich kamen die spanischen Einwanderer, die sich hier angesiedelt haben, wohl auch aus Andalusien – hat mir zumindest irgendjemand erzählt. Im andalusischen Spanisch werden nämlich auch Buchstaben (vor allem ‚s‘) verschluckt.

Als es dunkel wird beginnt die Musik, am Strand werden Lagerfeuer und Teelichter in Papiertüten angezündet. Und obendrüber der wundervolle Sternenhimmel und das Meeresrauschen. Mir fällt auf, dass der Mond hier anders „liegt“. Bei zunehmendem Mond ist die Sichel eine Schale, bei zunehmendem ein Dach. Ich entscheide spontan, doch über Nacht zu bleiben. Außer mir bleiben nur Julia und Paris, die anderen fahren alle um 0.30 Uhr mit dem Taxi zurück. Nachdem die andere deutsche Freiwilligengruppe so um 2 Uhr abfährt, setze ich mich allein ans Lagerfeuer (Julia und Paris sind irgendwo verschollen) und komme ins Gespräch mit Daniel, einem Venezuelaner, der aktuell in Las Terrenas als Kitesurflehrer arbeitet. Es gesellen sich noch weitere DominikanerInnen dazu und so vergeht langsam die Nacht. Ich ziehe eine Fleecejacke nach der anderen an und wickel mich in die dünne Decke, die mir Max dankenswerterweise dagelassen hat. Ohne das Lagerfeuer wäre es schon recht kalt gewesen. Letztendlich lege ich mich dann auch gar nicht zu Julia und Paris ins Zelt, sondern bleibe die ganze Nacht am Strand. Die Musik hört gegen 4 Uhr auf, irgendwann höre ich auch den Gesprächen nicht mehr zu und schlafe so von 5.30 – 6.30 Uhr für eine Stunde ein. Irgendwie habe ich mich richtig übel verlegen und die Nackenschmerzen meines Lebens – ich habe den Baumstamm im Verdacht, auf dem ich zwischenzeitlich den Kopf abgelegt hatte. Ich kann jedenfalls den Kopf nicht mehr drehen und alles tut weh. Na ja, dafür wache ich am Strand auf. War schon gut dazubleiben, denn wann hat man schon die Gelegenheit in der Karibik am Strand zu übernachten.

Der Sonnenaufgang ist leider recht unspektakulär und auch von den Bäumen verborgen. Aber die Morgenstimmung ist trotzdem schön. Zum Frühstück habe ich einen Müsliriegel dabei. Nachdem wir den Strand ein wenig vom Müll befreit haben, setze bzw. lege ich mich in die höher steigende Sonne und warte darauf, dass wir wie angekündigt, gegen 10 Uhr irgendeine Rückfahrgelegenheit nach Samaná nehmen. Die gibt es aber nicht bzw. angeblich um 13 Uhr erst. Geduld ist eine Tugend, in der man sich hier üben kann – sie wird immer wieder auf die Probe gestellt. So ab 11.30 Uhr versuchen Julia, Paris und ich dann eine Mitfahrgelegenheit zu finden, was leider erfolglos bleibt. Gegen 12 Uhr können wir immerhin für 30 Pesos schonmal ein Stück weit rausfahren zur Guagua-Station am Zipline-Park. Leider fährt von hier aber keine Guagua und auch sonst nichts nach Samaná. Bis auf Motoconchos. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, damit nicht zu fahren, aber jetzt gibt es keine andere Möglichkeit. Paris fährt mit dem ersten. Julia und ich steigen zunächst zusammen auf ein zweites – samt zwei Rucksäcken, Zelt und Hängematte. Ein kleines Stück weiter ruft der Fahrer, der sich mir nachher als Ramón vorstellt und mir vorschwärmt, wie toll es doch hier sei und dass ich doch bestimmt hierbleiben wolle, einen Freund, bei dem Julia aufsteigt. Ich steige wieder auf und lasse nach zwei Metern wieder anhalten, weil ich ernstlich um meine Füße besorgt bin. An dem Motoconcho fehlen nämlich die Tritte, auf die man eigentlich die Füße stellen kann. Und die Abdeckung für die Kette fehlt auch. Zum Glück kann er das Gefährt noch gegen eins eintauschen, das besser in Schuss ist und diese Vorrichtungen hat. Selbst darauf habe ich noch etwas Angst, dass meine Füße abrutschen, den die Strecke ist wirklich steinig und entsprechend holprig. Ich sitze also relativ verkrampft auf dem Motorrad. Erst als wir endlich wieder auf Asphalt fahren, kann ich mich ein wenig entspannen. Ich bete um Bewahrung und versuche nicht daran zu denken, wie schnell wir gerade wohl fahren, dass ich keinen Helm und eine kurze Hose anhab und mich gerade an irgendeinen wildfremden Dominikaner klammern muss. Wenn man diese Gedanken ausblendet, macht es eigentlich sogar Spaß :D Es ist immerhin nicht so stickig und eng wie in der Guagua. Und die Jungs fahren die Strecke oft und sollten also wissen was sie tun. Nach ca. 20-30 Minuten kommen wir für 150 Pesos zuhause an – inzwischen ist es 13 Uhr.

Zeit für eine ausführliche kalte Dusche, um den Sand loszuwerden (hab ich schon erwähnt, dass ich Sand und Salzwasser teilweise eher unangenehm finde?), Mittagessen und ein kurzes Nickerchen, dann geht es um 15.30 Uhr wieder los mit dem Sammeltaxi zur Aftershowparty auf einem Hoteldach mit Bar und Pool, in den wir uns direkt begeben. Die Aussicht ist wirklich toll. Zumindest in die eine Richtung. In die andere Richtung schaut man auf Wellblechhütten und dass fühlt sich doch sehr dekadent an. Viel los ist nicht auf der Party, wie schon auf dem Festival kiffen viele der Anwesenden (weder Besitz noch Konsum sind hier legal). Nachdem wir den Sonnenuntergang beobachtet haben gehen Maria, Fabienne, Alica und ich dann auch schon. Die Rückfahrt machen wir – jetzt schon ganz routiniert – mit dem Motoconcho.

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