Montag, 5. Juni 2017

D and J Farm, Pearsonville, New Brunswick, 19. - 27. Mai



Um 20:55 Uhr bin ich also an der Irving-Tankstelle in Sussex angekommen. Nach 10 Minuten, in denen ich schon angefangen hatte zu frieren, kam dann ein Hyundai angefahren, um mich abzuholen. Eine Frau mit langen, grauen, zu einem Zopf geflochtenen Haaren und Brille stieg aus. Janet. Auf dem Weg zurück hielten wir noch an der Post und am Supermarkt. Janet sagte dann, sie habe ja geschrieben, dass sie 4 Hunde und 6 Katzen haben. Am besten würde sie mich nachher gleich einem Hund nach dem anderen vorstellen. Irgendwie hatte ich das mit den vielen Tieren verdrängt … Zeit für mich zu gestehen, dass ich Vegetarierin bin. In ihrem Profil hatten sie nämlich bei „Food“ nur „non-vegetarian“ angegeben. Ich hatte sie trotzdem angeschrieben, weil sie als einzige in ihrem Profil stehen hatten, dass sie Christen sind. Dass ich Milchprodukte und Eier esse beruhigt sie. Von vegan sage ich hier lieber nichts ;) 

Es ist schon dunkel, als wir nach ca. 25 Minuten Fahrt auf dem Hof ankommen. Wir werden mit lautem Gebell begrüßt und ich höre die Hunde rennen und an der Tür kratzen. Oh je. Die Hunde stellen sich dann aber alle als sehr lieb heraus. Es sind zwei Rottweiler, Ben und Baba, ein schwarz-weißer Bordercollie, Luke, und ich glaube ein Schäferhund-Collie-Mix, Sam. Ben und Baba interessieren sich meistens nicht für mich, außer, wenn es Essen gibt, aber Luke kommt sofort zu mir und will gestreichelt werden. 
Mein Freund, Luke
Das gewöhnt er sich auch für den Rest meines Aufenthaltes an. Sam kommt erst ab dem 3. Tag. Nachdem ich meine Sachen in mein Zimmer gebracht habe, das im ersten Stock direkt über der Küche liegt und durch einen komischen kleinen Lüftungsschacht mit Propeller mit ihr verbunden ist, unterhalte ich mich noch länger mit Janet in der Küche. Derek sehe ich am ersten Abend nicht, erst im Laufe des zweiten Tages. Derek, Jahrgang 1957, wie meinte Mutter, war bei der kanadischen Armee und ist jetzt in Rente. Er kümmert sich vor allem um die Tiere und die handwerklichen Tätigkeiten rund um den Hof. Außerdem kocht er meistens. Dazu steht er früh auf und geht auch normalerweise früh zu Bett. Janet, Jahrgang 1954, wie mein Vater, arbeitet noch in Teilzeit als Krankenschwester in Sussex. Sie kümmert sich um ihre Bienen und Hühner, mit allem, was so dazugehört. Außerdem hat sie noch ihren Garten, macht Wein und strickt gerne. Sie ist wie ich eine Eule und steht lieber später auf und bleibt entsprechend länger wach. Was mir gut passt, denn so kann ich zwischen 8.30 und 10 Uhr aufstehen und frühstücken. Janet ist mit Derek in 4. Ehe verheiratet und hat 6 erwachsene Kinder zwischen Mitte 20 und Anfang 30 aus 2. Ehe. Sie haben beide Pilotenscheine für Kleinflugzeuge und fahren Motorrad. Mehr als genug Interessen und Aufgaben für einen gepflegten Unruhestand. Die Farm haben sie seit mehr als 10 Jahren. Janet kommt ursprünglich aus Ontario, Nähe Toronto, Derek aus New Brunswick. Sie streben weitestgehende Selbstversorgung an. Die Wasserversorgung läuft über ihre eigene Quelle. Sie haben Kühe, Hühner, Bienen und im Sommer Schweine. Die meisten Tiere werden im Herbst geschlachtet. Ich habe mich mit beiden unterhalten und interessanterweise haben sie beide gesagt, dass sie das eigentlich hassen. Derek „I love farming, but I hate the killing.“ Da haben wir ja was gemeinsam. Nur, dass ich als Konsequenz daraus seit 15 Jahren kein Fleisch mehr esse. Darauf könnte Derek laut seiner Aussage aber nicht verzichten. Janet schon eher. Zu mir meinte sie, dass sie sich durchaus vorstellen könnte auch vegetarisch zu leben. Nach ein paar Tagen gräbt sie auch ein paar alte vegetarische Rezepte aus einer Zeitung von 1976 aus und macht Pillaw mit Reis, Rosinen und Mandeln, Bohnensalat und Pilz-Tomatensalat. Alles richtig lecker. Ansonsten gab es meistens abends Kartoffeln, irgendwas mit Ei (Omelette) und gedünstetes Gemüse + Fleisch für die beiden. Gegessen wurde oft eher spät. Auch das Mittagessen war eher spät, nachdem die Arbeit am Vormittag erledigt war, was häufig erst so gegen 15 Uhr der Fall war, weil wiön.r auch eher spät, so gegen 11 Uhr, angefangen haben. Da gab es dann oft einfach Janets selbstgebackenes Brot mit Cranberries und dazu Käse. Sobald ich mich ein bisschen heimisch gefühlt habe, hab ich angefangen, mir dazu noch irgendwelches Obst oder Gemüse zu suchen. So habe ich irgendwann am zweiten Tag erfahren, dass es auch Äpfel gibt, woraufhin davon dann jeden Morgen einer in meinem Müsli gelandet ist. Leider waren alle Cereals mit Zucker, die größtmögliche Vermeidung von Zucker konnte ich also auch nicht durchhalten. Gegen Ende meines Aufenthaltes hat Derek mir dann gesagt, dass er eigentlich keine Vegetarier-Wwoofer wollte. Vor allem, weil er meinte, er könnte ihnen keine angemessene Verpflegung bieten. Aber nachdem ich da war, hat er seine Meinung in der Hinsicht und auch über Vegetarier geändert. Find ich schön.
Blick aus meinem Fenster
Blick auf das Wohnhaus

Nun zur Arbeit, denn dafür bin ich ja eigentlich da. Gearbeitet habe ich Samstag und Montag-Freitag, immer vormittags ca. 4 Stunden, die mir meistens ziemlich schnell vergangen sind. Zweimal habe ich auch nochmal abends beim Transport der Bienen mitgeholfen. Mit denen hatte auch meine erste Aufgabe zu tun: Bienenstöcke, die Janet inspiziert und vorbereitet hatte, mit Brettern verbinden und damit transportfertig machen. Einen Imkeranzug habe ich geliehen bekommen und fühlte mich darin unverwundbar, bis ich Ende des ersten Tages hörte, dass Janet und Derek trotzdem schon oft gestochen wurden. Ich bin zum Glück trotzdem verschont geblieben. Das Verschrauben ist bisher tatsächlich die einzige Tätigkeit gewesen, von der ich Muskelkater bekommen habe, weil ich die ganze Zeit in der Hocke an den Stöcken saß und von da wieder aufgestanden bin. Ein nettes kleines Workout also. Am Mittwoch haben wir dann einige Bienenstöcke zu einem befreundeten Blaubeer-Farmer, Mike, Renter, gebracht. Er erzählte, dass sie durch Subventionen der Regierung für neue Farmen leider in einer Krise wären und keine guten Preise erzielen könnten. Er würde wahrscheinlich Verlust machen und umsonst arbeiten. Andere Farmer hätten ihre Blaubeeren abgemäht, weil es sich nicht lohnt. 
Anna im Imkeranzug im Blaubeerfeld
Bienenstöcke im Blaubeerfeld
Montag und Dienstag habe ich mit Derek am neuen Stacheldrahtzaun gearbeitet. Sie erweitern gerade die eine Weide, auf die dann die Kühe kommen und die Pferde, die bisher dort standen, kommen auf die andere Seite der Zufahrt. Die Pfähle standen schon, sodass meine Aufgabe darin bestand, zusammen mit Derek den Stacheldraht auszurollen und in 4 Bahnen an die Pfähle zu spannen und festzunageln. Zum Glück habe ich von meinem Vater eine solide kleine Grundausbildung in Werkzeughandhabung bekommen und habe mich entsprechend geschickt mit Akkuschrauber und Hammer angestellt. Einzig nervig waren die Black flies, die auftauchen, sobald es etwas wärmer wird. Aber mit der richtigen Kleidung geht auch das. Vom Zaun habe ich leider auch kein Foto gemacht.
Blackfly-Schutz
Blackfly-Schutz

Mittwoch waren wir ja die Bienen ausliefern. Donnerstag und Freitag habe ich dann 100 Rahmen für Honig mit Ösen und Draht versehen und dabei ferngesehen und Radio gehört. 

Ab und zu hab ich auch den Abwasch übernommen. Außerdem habe ich Freitagnachmittag Janet noch geholfen die 66 Küken, die sie abgeholt hatte, in den Stall zu bringen. Jedes musste einzeln aus dem Karton genommen und mit dem Schnabel in die Tränke getaucht werden. Ich bin froh, dass ich nicht da bin, wenn die Hühner dann im Herbst geschlachtet werden ...

Am Sonntag waren wir morgens im Gottesdienst der Atlantic Community Church in Apohaqui, einer Baptistengemeinde. Sowohl die Predigt als auch der Lobpreis haben mir gut gefallen, obwohl ich nur zwei Lieder kannte "The Creed" und "Come to the Altar" zum Abendmahl. Grundlage der Predigt war unter anderem Markus 12, 30-31, was sehr passend war, da das seit Freimuts Neujahrspredigt über meinem Jahr steht. 

Im Grunde hatte ich dann die Nachmittage nach unserem meist recht späten Mittagessen frei. Ich habe die Zeit dazu genutzt, an meinem Blog zu schreiben, zu lesen, Klavier zu spielen oder auch einfach nur Luke und Franny zu streicheln. Letztere ist eine dicke, fellige, rote Katze, die mich wohl recht bequem fand.
Franny und Sam
Am Montagnachmittag holte Derek zwei seiner Gewehre raus. Ich bin ja kein Waffenfreund, aber das wollte ich doch mal ausprobieren, wenn sich schon die Gelegenheit bot. Mit dem ersten sollte ich auf eine Blechdose schießen und ich habe es auch geschafft sie zu treffen, wenn auch nicht immer. Gar nicht so einfach. Mit dem größeren Kaliber sind wir etwas weiter gefahren, um gegen einen Hang schießen zu können, wo Derek einen Holzblock aufstellte. Diesmal gab es kein Visier, zielen über Kimme und Korn also. Auch dabei hab ich mich nicht schlecht angestellt, Derek war beeindruckt. Zweite Aufgabe war dann 8 Schuss ohne Pause abzufeuern und zu versuchen, immer die gleiche Stelle zu treffen. Nach 6 Schuss war der Block unter dem Beschuss umgekippt und wir mussten ihn für die letzten zwei nochmal neu aufstellen. Beweisfotos oder Videos gibt es nicht, ich hatte nicht dran gedacht, dafür was mitzunehmen und wir hatten dann auch keine Zeit mehr es zu wiederholen. 

Am Mittwochnachmittag habe ich wie von Derek empfohlen das Quad genommen und bin durch den Wald zu ihrem Fluss und weiter gefahren. Auf einer Hügelkuppe habe ich dann geparkt und angefangen das Buch „And God changed His mind“ über Gebet gelesen, dass ich im Regal gefunden hatte. Im Wald hatte ich mich nicht so richtig wohl gefühlt, weil es Schwarzbären gibt, die gerade Junge haben. In der Zeit kommt man ihnen besser nicht in die Quere. Hätte ich Erfahrung im Umgang mit Waffen, hätte Derek mir auch ein Gewehr mitgegeben, aber das wollte ich auch lieber nicht. 

Insgesamt war es eine tolle erste Woche. Sowohl mit Janet als auch mit Derek habe ich mich sehr gut verstanden und gute Gespräche geführt. Ich habe schon einen ersten Eindruck davon bekommen, was es heißt, eine Farm zu haben und wieviel Arbeit das ist. Ich bin beeindruckt von Janet und Derek und sie bekommen von mir einen "Held"-Button. Die Arbeiten haben mir gut gefallen und die 4 Stunden sind mir immer schnell vergangen. Ich hab mich wohl und zuhause gefühlt. Einzige Nachteile waren die tierbedingt mangelnde Sauberkeit und die Kälte im Haus (die eigentliche Heizung ist kaputt und der Holzherd in der Küche ist nicht mehr an und wenn heizt er auch hauptsächlich die Küche). Das Wetter war durchwachsen und eher kalt. Anfang bis Mitte der Woche schien die Sonne, dann hat es geregnet. Ich hätte auch länger bleiben können, aber eigentlich fand ich die eine Woche genau richtig. Leider habe ich vergessen, rechtzeitig ein Foto mit Janet und Derek zu machen (Derek ist am Donnerstag nach Ontario gefahren). Dafür hier noch ein Foto von einer Seite meines Gästebucheintrages mit einer zeichnerischen Zusammenfassung:
Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen, aber ich werde es jetzt dabei belassen :)

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