Samstag, 28. Januar 2017

Angekommen in meinem dominikanischen Alltag


Schon drei Wochen in Samaná und knapp eine Woche in meiner Wohnung. 

Ich bin wirklich froh schon früher umgezogen zu sein. Denn obwohl es hier auch nicht total ruhig ist, ist es doch um einiges ruhiger als in der Familie. Ab und zu hat man natürlich auch Geschrei, Musik oder Baulärm, aber es hält sich in Grenzen. Ich mag es einfach allein zu wohnen. Also natürlich nicht für immer, aber momentan ist es das Richtige für mich. Die Wohnung hat zwar auch so ihre Macken, aber ich hab mich im Grunde schon dran gewöhnt. Hier gibt es in der Dusche tatsächlich einen Duschkopf und natürlich auch nur kaltes Wasser. In der Familie gab’s im Bad Ameisen, hier habe ich so komische kleine schwarze Fliegen, die am Abfluss sitzen. Die sind schon ziemlich eklig, scheinen aber immerhin nicht zu stechen oder beißen, also dulde ich sie (ich wüsste sowieso nicht, wie ich sie loswerden sollte, mal abgesehen davon, immer wieder ein paar kaputt zu klatschen). Auf die Klobrille muss sich irgendwann wohl mal jemand ziemlich schweres gesetzt haben. Das ist zumindest meine Theorie, warum die Noppen, auf denen sie eigentlich aufliegen soll, sich nach oben durchgebohrt haben und einem jetzt in den Popo pieksen. Aber auch daran kann man sich gewöhnen. Weiterer Schönheitsfehler ist, dass es hier im „Schrank“ (Wandnische mit Stange und Vorhang) keine Ablagefläche gibt. Ich hab einfach noch mehr Kleiderbügel dazugekauft und das meiste aufgehängt. Der Rest ist in der Kommode. Ich hoffe, meine Klamotten fangen nicht an zu schimmeln, denn hier ist immer alles leicht feucht … Bei ein paar Sachen ärger ich mich schon fast, dass ich sie mitgenommen hab, weil ich die gern mag. Na ja, wird schon. Die Matratze hier im Apartment war auch nicht so gut – ziemlich weich, man hat jede Feder gespürt und am Kopfende hat sie gemüffelt. Nach der zweiten Nacht habe ich dann Julia gefragt, ob ich mal die Matratze im leeren Nachbarapartment probeliegen kann und weil die besser ist und nicht müffelt, haben wir sie ausgetauscht. Jetzt hab ich auch ‘ne ordentliche Matratze. Außer Kleiderbügeln habe ich noch ein paar Sachen für die Wohnung eingekauft. Ein Schneidebrett, eine große Tasse, einen tiefen Teller, drei Frischhalteboxen, Geschirrtücher, ein Messer, eine Badematte... Jetzt bin ich soweit gut ausgestattet. Schön wär noch ein Schäler und ein Dosenöffner, aber das gibt’s hier anscheinend nicht. Ich bin froh, dass ich mein Taschenmesser dabei habe, denn sonst wäre meine erste Kochaktion schon an der Tomatensaucendose gescheitert.

Gekocht wird hier mit Gas. Die Flasche steht unter der Spüle und man muss sie immer auf und zu drehen. Wenn man Gemüse und Obst kauft, gibt es zwei Vorgehensweisen, die hier praktiziert werden, um eventuelle Bakterien etc. loszuwerden.
Variante A: In Chlorwasser einlegen. Hierzu tut man ca. 3-5 Tropfen Chlor auf einen Liter Wasser (oder 30 wie Manfred wohl meint) und legt das Gemüse darin ein (laut Manfred wohl eine halbe Stunde). Variante B: Man wäscht alles mit – im besten Fall antibakteriellem – Spüli ab und schrubbt es dabei ggf. noch mit einer Bürste. Da Chlor auf Dauer auch nicht so gesund ist, wählen die meisten der Freiwilligen Variante B. Ich auch. Nach der Behandlung kann man die Sachen dann im Kühlschrank lagern. Wenn man dann irgendwann etwas davon zubereiten will, kann man es nochmal mit Trinkwasser abspülen. Und dann natürlich am besten erhitzen, um ganz sicher zu gehen. Wie ihr seht eine ganz schöne Prozedur. Man muss sich eben etwas mehr Zeit dafür nehmen und irgendwie geht man dadurch auch nochmal bewusster damit um.
Mit Wasser auch. Ich habe einen 5 Gallons-Trinkwasserbehälter (ca. 18 Liter). Das ist so eine Flasche, wie man sie aus den Trinkwasserspendern kennt. Die kann man hier überall kaufen. Zum Glück ist hier neben dem Haus direkt ein Laden, denn die Dinger wiegen natürlich entsprechend viel. Ich glaube, ich komme mit einer ca. eine Woche aus. Es wird empfohlen mit dem Trinkwasser auch zu kochen und die Zähne zu putzen, mach ich also auch so. Das wird aber auch unterschiedlich gehandhabt. Die Gastfamilien kochen wohl mit Leitungswasser. Nach 5 Minuten kochen ist das Wasser ja auch keimfrei. Manche Freiwillige nehmen zum Zähneputzen auch Leitungswasser. Eigentlich ist das Wasser hier wohl sogar gut, wenn es aus dem Wasserwerk kommt, aber durch die Leitungen wird es dann teilweise verunreinigt. Noch bin ich ziemlich vorsichtig mit allem und bisher klappt das gut. 

Ich bin hier jetzt auch zu meinem deutschen Standardfrühstück zurückgekehrt: Tee und Haferflocken mit Joghurt und Obst (meistens Apfel und Banane). Äpfel sind hier zwar eher teuer (70 Cent/Stk.), aber ich komme mit einem 4 Tage aus. Und eine Banane kostet 10 Cent und reicht mir zwei Tage. Die Lebensmittel sind also relativ günstig. Mittags hatte ich diese Woche immer ein Brötchen mit Frischkäse, Avocado und Gurke. Der Philadelphia aus dem Touri-Supermarkt gehört mit 2,90€ zum Luxus, den ich mir gönne. Aber das sollte mir auch jeweils für 2 Wochen reichen, ich hab ja ‘nen Kühlschrank (der immer schön durchbrummt, aber ich schlaf trotzdem gut, das kenn ich ja schon aus Nancy). 

Brot beziehungsweise Brötchen sind natürlich immer DAS Produkt für die brotverwöhnten Deutschen. Hier gibt es hauptsächlich weiche, weiße Brötchen. Im Supermarkt gibt es zwar auch Vollkorntoast, aber ich hab keinen Toaster und in der Pfanne ist mir das zu aufwendig. In der Bäckerei neben dem Supermarkt habe ich aber auch sowas wie Vollkornbrötchen entdeckt, die zwar auch weich, aber ganz lecker sind. Und es gibt noch eine französische Bäckerei, die ziemlich gutes (weißes) Baguette hat. Für drei Monate kann man damit auf jeden Fall leben. Die Freiwilligen, die ein Jahr hier sind, lassen sich teilweise schon Schwarzbrot o.ä. schicken oder mitbringen. Und Nutella und Schokolade :D

Im Supermarkt bekommt man alles in Plastiktüten gepackt. Mach ich ab und zu auch, weil man die als Müllbeutel braucht, aber sonst verzichte ich und nehme meine Uni-Konstanz-Baumwolltasche oder meinen Rucksack. Und werde dafür komisch angeguckt. Na ja, dass man nicht von hier ist, lässt sich sowieso nicht verbergen. Selbst wenn man Spanisch kann. Denn meine Hautfarbe verrät mich ja immer sofort als Ausländerin. In der Minderheit zu sein, habe ich damals zum ersten Mal in Kanada in der U-Bahn erlebt. Und jetzt hier wieder. Es ist aber nicht unangenehm, abgesehen davon, dass man natürlich immer als Tourist wahrgenommen und an jedem Laden angesprochen wird („Lookie, lookie“). Und auf der Straße wird man auch sehr viel von Männern angesprochen, was ich gar nicht leiden kann und meistens ignoriere. Ich weiß nicht, ob das bei den dominikanischen Frauen auch so ist. Ich kann auf die „Hola, mi amol („r“ wird hier wie „l“ ausgesprochen)“-Rufe jedenfalls verzichten. Wenn man nicht reagiert, wird man aber auch in Ruhe gelassen. 

Kurios im Supermarkt ist auch, dass manche Produkte keine Preisschilder haben. Man kann aber damit an die Kasse gehen und nachfragen. Oder sich am Ende von der Summe überraschen lassen. Das Gemüse kauft man entweder auf dem Markt,  der ein Stückchen weiter außerhalb liegt oder an einem von zwei Gemüseständen direkt an der Straße. Da sagt man dann, wieviel man von was haben möchte und bekommt einen Gesamtpreis. Wahrscheinlich könnte man auch nachfragen, was alles einzeln kosten, aber der Preis ist echt ok. Zum Beispiel 2 Tomaten, 1 Gurke, 3 Zwiebeln und 1 Aubergine für 1,60€. Damit komm ich schonmal durch ‘ne halbe Woche
:)

Heute habe ich auch zum ersten Mal geputzt. Hier wird gefegt und mit einem Mopp und Chlorwasser gewischt. Ich vermisse meinen Staubsauger jetzt schon :D

Anfangs hatte ich ja Bedenken, dass ich hier vielleicht nicht mehr genug Bewegung bekomme – die mindestens 8km Radfahren aus Konstanz fallen ja jetzt weg, aber hier bin ich viel zu Fuß unterwegs. Und zu meiner Wohnung muss ich jetzt auch ein Stück bergauf. Bisher hat meine Fitness also, glaube ich, nicht gelitten. Als ich die Woche vom Einkaufen nach Hause gelaufen bin, hatte ich das Gefühl, jetzt angekommen zu sein. Und ich bin gern hier.

Montag, 23. Januar 2017

Schon wieder ein Umzug …

Es geht mir wieder gut. Am Freitag habe ich mir zur Feier des Tages einen Frozen Joghurt am Meer gegönnt. Danach habe ich mir für 100 Pesos eine dominikanische SIM-Karte gekauft und 400 Pesos Guthaben aufgeladen. Das Tolle an meinem Fairphone ist, dass ich beide Karten parallel benutzen kann.
Der "Es-geht-mir-endlich-wieder-gut"-Frozen Joghurt
Privatsphäre ist Luxus. Ich konnten sie mir hier nun wieder erkaufen. Heute bin ich aus der Familie ins Apartment umgezogen. Knapp zwei Wochen früher als geplant, aber es kostet mich nur 2.500 Pesos mehr. Dabei hatte ich ja in der Familie sogar schon ein eigenes Zimmer. Das ist mehr, als die anderen im Haus haben, die eigentlich alle Bett und Zimmer teilen. Vielleicht darf jetzt Ashmel wieder in ihr Zimmer ziehen. 

Ankunft im Apartment

Mit Privatsphäre und Platz war ich ja in den letzten drei Jahren wirklich verwöhnt. 2 Zimmer und 66qm für mich. In anderen Ländern wohnen auf weniger Raum Großfamilien – vielleicht auch in Deutschland. Ich denke dabei auch an die vielen Flüchtlinge, die in Turnhallen und anderen Provisorien mit hunderten fremden Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen. Ich kann jetzt durchaus nachvollziehen, dass da mal Aggressionen aufkommen. Am Donnerstagmorgen bin ich nämlich kurz aggressiv geworden. Früh morgens wird laut der Fernseher angemacht, irgendjemand zieht dauernd laut die Nase hoch, in der Küche wird geschrien, die Kinder weinen… Das alles bekommt man einfach mit, ob man will oder nicht. Dann kommt noch der Kulturschock hinzu und im Fall der Flüchtlinge Traumata, Angst … Meine Nerven hat das extrem strapaziert, weshalb ich auch entschieden habe, frühzeitig umzuziehen. 
Nach drei Jahren allein wohnen in Konstanz mit „paradiesischer“ Ruhe erscheint einem der Lärm hier nur noch lauter. Ruhe ist auch Luxus. Und ich bin grundsätzlich ein Mensch mit großem Ruhe- und Privatsphäre-Bedürfnis. Ruhiger ist es in meinem neuen Apartment leider auch nicht. Wirkliche Ruhe gibt es hier leider – zumindest in der Stadt – nicht. Ich werde mich also gewöhnen müssen. Um noch einmal zu den Flüchtlingen zurückzukommen: Ich habe mir das hier wenigstens ausgesucht, ich bin hier, weil ich das so wollte und auch dieses Leben hier, dass so anders ist von dem, was ich gewohnt bin, kennenlernen möchte. Ich kann sicher noch nicht annähernd nachempfinden, was Menschen durchmachen, die in Deutschland und anderen Ländern als Flüchtlinge ankommen, aber mein Verständnis ist hier durch meine aktuellen Erfahrungen noch einmal gewachsen. Und die sprachliche Barriere ist ja hier leider für mich auch größer als gedacht und gehofft. Ich bekomme schon ein wenig Angst vor Russland – meine Russischkenntnisse sollten sich noch stark verbessern, bevor ich da hingehe. Man ist sonst so hilflos und echt auf das Wohlwollen der anderen angewiesen.

Im Grunde sollte diese Erfahrung jeder Mensch einmal machen. Fremd in einer Kultur sein, eine Sprache nur schlecht bis gar nicht beherrschen und sich dann einfinden und integrieren müssen. Wenn man sich darauf einlässt, kann das eine so lehrreiche Erfahrung sein, die Verständnis, Demut und Toleranz fördert. Man kann es natürlich nicht verpflichtend machen, aber 6-12 Monate im Ausland nach dem Abitur, halte ich schon für eine gute Sache. Ich muss sagen, dass ich die weltwärts-Freiwilligen und jeden, der sowas nach dem Abitur macht, echt bewundere. Sie sind noch so jung und verbringen hier ein ganzes Jahr, um Freiwilligenarbeit zu leisten. Ich weiß nicht, wie ich das hier mit 18 weggesteckt hätte. Inzwischen habe ich ja doch schon einiges mehr an Lebenserfahrung und Gelassenheit als vor knapp 10 Jahren. Ich bin sicher, dass es für sie ein prägendes Jahr wird.

Ich muss gestehen, dass ich den Kulturschock tatsächlich unterschätzt habe. Ich habe unterschätzt, wie viele neue Eindrücke ich hier verarbeiten muss und wie anders das Leben hier ist – im Kleinen und Großen. Aber ich werde mich daran gewöhnen und der Umzug ist ein weiterer Schritt für mich hier ein „richtiges“ dominikanisches Leben zu führen.
Ich würde mir hier dafür auch gern noch einen Alltag außerhalb der Arbeit aufbauen. 

Gestern war ich wieder im Gottesdienst. Um 18.40 Uhr ist noch niemand da (offiziell geht es um 18.30 Uhr los). Also schaue ich noch schnell nach, wohin ich umziehen werde und wie weit ich dafür laufen muss. Nicht so weit. Auf dem Rückweg bleibe ich an der Iglesia Pentecostal Misionaria stehen, aus der „Feiert Jesus“ auf Spanisch erklingt. Immer wieder cool, bekannte Lieder zu hören. 


Die Kirche ist auch eine dieser winzigen Wohnzimmergemeinden auf geschätzt 15qm, in denen ein paar Gartenstühle aufgestellt werden. Ich genieße noch ein bisschen die Aussicht und gehe dann runter zu „meinem“ Gottesdienst. Es ist leerer als vor zwei Wochen, aber nicht weniger inbrünstig. Ich erkenne Florangel und setze mich neben sie. Diesmal habe ich zum Glück Oropax mitgebracht, um die Lautstärke zu dämpfen. Ich finde es extrem anstrengend zuzuhören und allem zu folgen, was gesagt wird. Teilweise schweife ich deshalb wohl auch ab. Denn plötzlich schauen mich alle, inklusive Prediger an der Kanzel, erwartungsvoll an. Und ich hab nicht mitbekommen, was er gesagt hat und von mir will. Schnell Oropax raus und fragend gucken. Ich verstehe auch nicht alles, als er es wiederholt, aber er hat mich wohl als Schwester aus dem Ausland vorgestellt und ich soll was sagen. Als sag ich schnell und weniger eloquent als ich es gern hätte ein paar Sätze über mich und ernte dafür immerhin auch ein, zwei „Gloria a dios, Halleluja“. Eigentlich wollte ich mich noch erklären, aber ich halte es nicht bis zum Ende durch. Zwei Stunden Predigt auf Spanisch mit zeitweise extremer Lautstärke ist doch recht anstrengend. Also gehe ich kurz vor Schluss nach Hause. 3 Sätze/Bibelstellen habe ich aber immerhin für mich mitgenommen. Ich würde mir hier gern noch andere Gemeinden anschauen, vielleicht gibt es ja sogar irgendwo einen Chor :)

Samstag, 21. Januar 2017

Die beste Tür der Welt und andere Geschichten

Zwei Wochen in Samaná. Zwei Wochen, die kaum unterschiedlicher hätten sein können. Die erste Woche voller Aktivität bei der Arbeit und privat mit den anderen Freiwilligen, die zweite voll verordneter Ruhe. Beziehungsweise Bettruhe. Denn ruhig ist es hier selten bis nie. Dadurch, dass ich den ganzen Tag an mein Zimmer gefesselt war, habe ich jetzt auch den Familienalltag mitbekommen. Gegen 7.30 Uhr geht es unter der Woche los, dann wird erstmal laut der Fernseher angemacht. Rosa und Ashmel machen sich dann für Arbeit und Schule fertig. Massiel ist den ganzen Tag zuhause. Irgendwann vormittags kommen dann meistens noch Yesica und Isi und optional weitere Nachbarn oder Verwandte vorbei. Mittags, gegen 12 Uhr kommen Rosa und Ashmel zum essen zurück. Nach dem Mittagessen ist Siesta bis mindestens 14 Uhr. Der Nachmittag verläuft dann ähnlich wie der Vormittag. Die Zeit wird vornehmlich mit Fernseher, Smartphone oder Laptop verbracht und das dann bis in die Nacht. Gegen 20 Uhr wird nochmal zu Abend gegessen.

Mein Essen bestand bisher meistens aus Reis und gedünstetem Gemüse und hat mir eigentlich immer gut geschmeckt. Nur während ich krank war, war es etwas schwierig, denn obwohl Rosa und Massiel studierte Medizinerinnen sind, kennen sie sich mit Ernährung bei Krankheit wohl nicht so gut aus. So bekam ich zweimal Sandwichtoast mit Käse zum Frühstück vorgesetzt, zu Mittag Salat, Bohnen und frittierte Auberginen. Aber auch Gemüsesuppe und Reis - teilweise war auch was Passendes dabei. Leider hatte ich sowieso kaum Appetit. Die Portionen sind immer riesig, sodass es für mich mindestens zwei Portionen ergibt. Was ganz praktisch ist, weil ich dann mittags und abends davon essen kann und damit doch vollverpflegt bin (eigentlich habe ich ja nur Halbpension). Bevor ich auf die Idee gekommen bin, mir die Hälfte vom Mittagessen für abends aufzuheben, hatte ich mir überlegt, abends einfach Joghurt mit Haferflocken und Banane oder Brot mit Avocado zu essen, weil das einfach zu machen ist und nicht gewaschen werden muss. Die Essenszubereitung ist hier nämlich eine langwierigere Prozedur, über die ich noch berichten werde, wenn ich dann selber kochen darf.

Nun zur Titelgeschichte. Grundsätzlich ist es hier im Haus so, dass der Eingangsbereich repräsentativ ist und es dann, je weiter man durchgeht, immer weniger repräsentativ wird. Was mich dabei nur wundert, ist, dass das Bad auch absolut nicht repräsentativ ist, denn da kommen Gäste ja gegebenenfalls auch rein. Die Zimmertüren sind alle so, dass sie nicht einfach schließen, wenn man sie zuzieht, so wie man das bei uns kennt. Die Badezimmertür kann man von außen mit einem Haken abschließen, von innen nicht, weil der Riegel schief zur Halterung sitzt. Kam aber erst zweimal jemand rein, während ich drin war und ich hab bisher auch nur einmal jemand überrascht - zum Glück ist es ein Frauenhaushalt. Seit ein paar Tagen funktioniert jetzt auch das Licht nicht mehr. Jetzt nehm ich zusätzlich zu meiner Seife und meiner Rolle Klopapier also auch noch meine Stirnlampe mit ins Bad. Das ist fast wie Camping. Ich weiß ja nicht, wie die anderen das machen ...
Aber ich schweife vom Tür-Thema ab. Meine Zimmertür ist die beste im Haus, denn sie hat ein Schloss. Auf ihr klebt ein leicht abgeknibbelter Aufkleber, auf dem "La mejor puerta en el mundo (die beste Tür der Welt)" steht. Wenn man sie so schließen will, dass sie zu bleibt, muss man sie abschließen. Das geht von innen mit einem Drehknopf, von außen mit 'nem Schlüssel. Wenn sie nicht abgeschlossen ist, steht sie offen. Wenn sie also geschlossen, aber von außen ohne Schlüssel zugänglich sein soll, legt man ein Top oder Bikinioberteil über die obere Ecke, damit sie klemmt. Nachteil: ich kann sie dann von innen kaum noch öffnen, weil es außer dem Drehknopf nix zum anpacken gibt. Ganz klar die beste Tür der Welt. Die anderen Zimmertüren haben gar keine Schließvorrichtung außer Textilien. Ein Hoch auf Klinken und deren Schließmechanismen ;)

Samaná ist nichts für Hans-guck-in-die-Lufts. Die Bürgersteige haben ihre Tücken und sind selten eben und sauber, sodass man gut daran tut, immer auf den Boden zu schauen. Die Straße ist da teilweise die sicherere Variante. Vor allem nachts, wenn man aufgrund der teilweise fehlenden Straßenbeleuchtung auf den Gehwegen gar nichts mehr sieht. Beim Übergang auf die Straße muss man einen ca. 20x20cm Rinnstein überspringen. Auf der Straße muss man natürlich auf die Mofas aufpassen, die grundsätzlich nicht blinken und auch nicht unbedingt auf der Fahrbahn fahren, auf die sie gehören, vor allem beim Abbiegen. Man könnte es als Aufgabe zur Aufmerksamkeitsschulung bezeichnen :)

Montag, 16. Januar 2017

Fluch der Karibik

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass in meiner Arbeitswoche der Freitag gefehlt hat (zumindest, wenn ihr den anderen Eintrag, wie es sich gehört, zuerst gelesen habt, denn jetzt habe ich sie doch direkt hintereinander veröffentlicht). 

Eigentlich findet, wie bereits erwähnt, freitags unser Spanischunterricht statt. Anfänger und Fortgeschrittene, jeweils 4 Stunden, entweder von 8 - 12 Uhr oder von 14 - 18 Uhr.

Ich fühle mich morgens schon recht müde, obwohl ich lang geschlafen habe. Generell war ich auch unter der Woche schon recht müde, hatte in der Schule immer irgendwann leichte Kopfschmerzen und zwischendurch auch kurz 'nen Schnupfen (vermutlich dank der Kombination aus nassen Haaren und Klimaanlage - Memo: Nur morgens duschen, wenn die Sonne scheint; oder einen Föhn kaufen). Da ich ja eh erst um 14 Uhr in der Schule sein muss, verbringe ich den Vormittag also am Laptop im Bett und googlefoniere um 13 Uhr mit Mama und Papa. Da geht's mir schon nicht mehr so gut. Ich gebe dann Julia per Whatsapp bescheid, dass ich mich leider nicht so gut fühle und mich lieber mal nen Tag schone. Gute Entscheidung. Im Verlauf des Tages bekomme ich Fieber, Kopfschmerzen und Magendarm. Ich erkläre den Tag dann zum "Durchhänger-Tag" und lasse mich zusätzlich noch ins "Warum-mache-ich-das-hier-eigentlich-und-wieso-tu-ich-mir-das-an-wenn-ich-doch-bei-meinen-tollen-Freunden-und einer-Dusche-mit-warmem-Wasser-in-Konstanz-sein-könnte"-Loch fallen. Denn es ist nur natürlich, dass es die Gedanken gibt und dann darf man sie auch zulassen, um sie dann ablegen zu können.

Es stellt sich heraus, dass ich mir doch einiges zugemutet habe. Mutig sein, kann auch eine Zumutung sein. Eine Zumutung stellt den Mut auf die Probe. Zuviel zugemutet habe ich mir nicht. Ich brauche nur Ruhe und Zeit, das Ganze auch zu verarbeiten und die nimmt sich mein Körper jetzt eben, denn ich habe sie mir bisher nicht gegeben. Es ist halt doch nicht so ohne innerhalb von wenigen Wochen einen Ort zu verlassen, an dem man unglaublich gern gelebt hat und mit dem einen so viel verbindet, einen Umzug vorzubereiten und durchzuführen und dann direkt nach wenigen Tagen in ein Land quasi auf der anderen Seite der Erde mit anderem Klima und anderer Kultur zu fliegen. Hätte ich gern so gehabt. Ist aber nicht so. Und das ist auch ok. Das Ganze dauert zwar jetzt schon länger, als mir lieb ist - heute ist Tag 4, an dem ich eigentlich nur im Bett liege - aber es gibt mir die Gelegenheit hier ganz anzukommen und die nutze ich. Es geht mir zwar zwischendurch wirklich schlecht und ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so lang so krank war, aber wird ja auch wieder und dann bin ich angekommen, akklimatisiert und ready to rock ;)

Und ich weiß natürlich auch, warum ich hier bin. Weil ich hier sein soll und will und weil es hier Aufgaben für mich gibt, in denen ich meine Gaben einbringen kann. Und das will ich mit ganzem Herzen tun. Deswegen nehm ich jetzt mein ganzes Herz mit her und lass es nicht in Deutschland. Keine Sorge, ihr seid noch drin, aber halt hier :) 

Das Schöne ist, dass ich dabei nicht allein bin und mich nicht auf meine eigene Stärke verlassen muss. Sarah hat mir zum Abschied aus Konstanz einen ganz wunderbaren eigenen Text mitgegeben, darüber, wie Gott mit mir auf dieses Abenteuer geht und an jedem Ort bei mir ist. Und beim Aufräumen zuhause in meinem Zimmer bin ich in einem alten Ordner aus meinem Anglistik-Studium auf ein altenglisches Gedicht gestoßen. Es heißt "The Husband's Message", aber ich habe das "Lord" frech uminterpretiert: "Southwards from here over the sea-way, there is your Lord in expectation of you." And now I am there too, south, beyond and by the sea.

Ihr seht also, ich bin positiv gestimmt, obwohl ich gerade meinen persönlichen Fluch der Karibik erlebe. Wer das tut (also beten), darf aber trotzdem sehr gern dafür beten, dass mir eine Wiederholung dieses Zustandes für den Rest meines Aufenthaltes hier erspart bleibt.

Während ich das hier schreibe, schaut mir übrigens eine Mücke durch mein neu erworbenes und auf dominikanisch-improvisierte Art mit Paracord und einem aus einer Plastiktüte geflochtenen Band an 4 Nägeln aufgehängtes Moskitonetz zu und fragt sich wahrscheinlich, wie mein Blut schmeckt ... sie wird es nie erfahren. Hoffe ich.

Die erste Arbeitswoche

Jetzt ist tatsächlich schon eine Woche seit meinem letzten Post vergangen.

Montag, der 9. Januar war mein erster offizieller Arbeitstag, wobei ich das nicht unbedingt einen Arbeitstag nennen würde. Der Tag fing mit einer Besprechung in der Mamá Elba School an. In dieser Besprechung wird geplant, was in dieser und in der kommenden Woche in der Schule gemacht wird. Das Schulgebäude wurde Manfred, dem Leiter der Organisation, vom vorherigen Bürgermeister zur Verfügung gestellt und trägt deswegen auch den Namen seiner Mutter (hat also nichts mit der italienischen Insel zu tun). Dieser Bürgermeister stand der Arbeit der Fundación wohl generell sehr positiv gegenüber, was bei dem neuen Bürgermeister laut Julia leider nicht mehr der Fall ist - dem ist es wohl eher egal.

Mamá Elba School

In der Mamá Elba School erhalten Kinder mit ganz unterschiedlichen Behinderungen Förderung, die sie hier sonst von staatlicher Seite leider nicht erhalten. Zwar soll es hier wohl demnächst sogar auch eine Schule für Kinder mit Behinderung geben, allerdings dann nur für kleine Kinder. In der Mamá Elba School reicht die Altersspanne etwa von 7 bis 31 Jahre - "Kinder" stimmt also nicht ganz. Angemeldet sind 27 Kinder, aber es kommen nicht immer alle. Vor allem Regen scheint hier ein anerkannter Grund zu sein, irgendwo nicht hinzugehen. Was mich wundert, denn es regnet doch recht oft, zumindest seit ich hier bin. Die Kinder werden von Yunior, dem Coordinator der Schule, zwei Frauen aus Samaná und den Freiwilligen im "Youth Care and Community Work"-Programm betreut und individuell nach ihren Fähigkeiten gefördert. Dienstag bis Donnerstag von 14-17 Uhr. Dabei steht dann jeweils rechnen, schreiben oder lesen, ein thematischer kreativer Teil und ein aktiver Teil auf dem Plan. Diese Woche war zum Beispiel das neue Jahr das Thema. Nach einer Stunde lesen, schreiben oder rechnen, wurden dann Sterne mit den Wünschen für 2017 beschriftet und dekoriert. Danach haben wir dann noch Reise nach Jerusalem gespielt.

Aus diesen letzten Zeilen wird schon klar, dass ich mit dabei war. Ich bin zwar nicht im Schul-Programm, aber da die Schule neben dem Krankenhaus zu den zentralen Bereichen der Organisation gehört, schaue ich mir die Arbeit dort 2 Wochen an (wenn ich will, darf ich natürlich auch länger). Das hätte ich auch nicht gedacht, dass ich hier mit Kindern mit Behinderung arbeiten würde. Irgendwie dachte ich bisher immer, ich hätte da Berührungsängste und hatte das deshalb eigentlich für mich ausgeschlossen. Aber es war tatsächlich richtig gut. Zumindest ab dem 3. Tag, als ich dann auch wusste, was ich in der ersten Stunde mit den Kindern machen kann. Das habe ich also Dienstag bis Donnerstag von 14-17 Uhr gemacht.

Meine erste NGO-Management-Akivität war ebenfalls eine Besprechung, diesmal mit Julia und Sarah in der Schule. Ich hatte mir davon ehrlich gesagt etwas mehr versprochen. Einen Einblick in die Organisation und Struktur zum Beispiel. Aber es ging eher grob darum, welche Aufgaben es theoretisch in dem Bereich gibt (Listings, Stiftungen, Patenschaftsprogramm ...) und dass ich mir auch gern was Eigenes überlegen kann. Dazu brauche ich aber erstmal mehr Einblick. Meine Arbeitszeiten in dem Programm sind flexibel und ich kann größtenteils am Laptop von zuhause arbeiten. Da mein WLAN am Laptop es glücklicherweise wieder tut (dieser Tatsache verdankt ihr auch die Posts), kann ich das auch so machen. Ich habe unter der Woche dann nochmal mit Sarah gesprochen. Sie gehört auch zu den weltwärts-Freiwilligen, ist aber schon 25, hat Soziale Arbeit studiert und auch schon gearbeitet. Sie hat gesagt, es gibt so viel zu tun und sie freut sich, dass ich da bin. Sie hat sich zum Beispiel der Verbesserung und Organisation der Schule angenommen, dort Montessori-Pädagogik und Evaluations- und Dokumentationsbögen über die Kinder eingeführt, was ich super finde. Ich werde also auf jeden Fall Aufgaben finden. Zum Beispiel hätte ich schon Lust mal das ganze Englisch zu überarbeiten :)

Am Dienstagmorgen hat mich Julia dann um 9 Uhr mit ins Krankenhaus genommen. Mit dabei ist Max, der bisher in der Schule mitgearbeitet hat, jetzt aber ins Krankenhaus wechselt. Wir sind eigentlich mit Flor, der Direktorin, verabredet, die aber bis ca. 10.30 Uhr nicht auftaucht. Das lässt uns Zeit für eine kurze Begehung und Flur-Small-Talk. Um 10.30 Uhr gehe ich dann mit Julia in die WG zu Jonathan und Hanna für's Multimedia-Meeting. Multimedia heißt facebook, Website, Fotos und Videos. Für die Website hab ich auch noch ein paar Ideen. Ich habe ja gerade frisch den Blick von jemandem, die sich dafür interessiert als Freiwillige herzukommen und das dann auch tut, weiß also, was man sich für Infos wünscht. Die Website wird gerade neu aufgebaut und Jonathan freut sich über Anregungen.

Am Mittwochvormittag gehen wir Flyer für die neuen Computer- und Englischkurse aufhängen, die auch im neuen Jahr wieder für Erwachsene zur Fortbildung angeboten werden. Ich laufe mit Jonathan und Alica Richtung Markt und jeder darf mal fragen, ob wir hier nen Flyer aufhängen können. Interesse ist auf jeden Fall da, wir werden mehrfach darauf angesprochen, unter anderem von einem sehr süßen kleinen Jungen, der allerdings leider nicht teilnehmen darf. Mein Spanisch taut dabei langsam auf.

Einer der prominent platzierten Flyer ;)

Am Donnerstag um 11 Uhr war dann auch die Besprechung für besagte Englischkurse. Es wird ab dem 14.2. drei Kurse geben: Beginner, Intermediate und Advanced. Ich werde zusammen mit Sarah und Laurenz den Advanced-Kurs geben. Und wahrscheinlich auch Kristina und Jonathan im Computerkurs unterstützen.
 
Das Englischlehrer-Team: Yunior, Sarah, Jakob, Jonathan, Alica, ich, Tabea und Julia

Nach der Besprechung habe ich dann mit meiner Kamera eine kleine Foto-Tour durch einen Teil von Samaná gemacht, um ein paar erste Eindrücke einzufangen. Wer mit mir auf facebook befreundet ist, kann sie sich da anschauen, alle anderen müssen sich mit diesen hier zufrieden geben ;)

Nach der Schule ist dann noch das Friday-Meeting, was so heißt, weil es bisher immer freitags war, ab nächster Woche aber jetzt montags stattfindet, weil freitags jetzt die Spanischkurse liegen. In dem Meeting wird Formelles und Informelles besprochen, gesprochen wird Englisch. Unter anderem fragt Julia, wer alles Interesse an einer Wal-Tour hat. Ich glaube alle. Und Max hat noch ein kleines Spiel vorbereitet, bei dem jeder zwei von ein paar selbstgebastelten Karten mit verschiedenen Symbolen ziehen und dann dazu was aus der Woche erzählen muss - was Blödes, was Schönes, was Überraschendes etc. Dann lassen wir noch von einem Samanaer, der die Digicam einfach nicht gerade halten will, das wöchentliche Gruppenfoto machen. Am Ende erbarmt sich dann Kristinas Mutter und macht das Foto selbst. Das ist also das aktuelle Freiwilligen-Team (bis auf den Großen in der hintere Reihe, das ist Kristinas Bruder).

Yunior, Tabea, Manja, ich, Alica, Thomas, Max, Jonathan, Laurenz, Jakob, Sarah, Julia, Kristina, Fabienne, Hanna
Soviel also zur ersten Arbeitswoche. Im nächsten Post dann wieder mehr zu meinem Privatleben hier :)