Montag, 23. Januar 2017

Schon wieder ein Umzug …

Es geht mir wieder gut. Am Freitag habe ich mir zur Feier des Tages einen Frozen Joghurt am Meer gegönnt. Danach habe ich mir für 100 Pesos eine dominikanische SIM-Karte gekauft und 400 Pesos Guthaben aufgeladen. Das Tolle an meinem Fairphone ist, dass ich beide Karten parallel benutzen kann.
Der "Es-geht-mir-endlich-wieder-gut"-Frozen Joghurt
Privatsphäre ist Luxus. Ich konnten sie mir hier nun wieder erkaufen. Heute bin ich aus der Familie ins Apartment umgezogen. Knapp zwei Wochen früher als geplant, aber es kostet mich nur 2.500 Pesos mehr. Dabei hatte ich ja in der Familie sogar schon ein eigenes Zimmer. Das ist mehr, als die anderen im Haus haben, die eigentlich alle Bett und Zimmer teilen. Vielleicht darf jetzt Ashmel wieder in ihr Zimmer ziehen. 

Ankunft im Apartment

Mit Privatsphäre und Platz war ich ja in den letzten drei Jahren wirklich verwöhnt. 2 Zimmer und 66qm für mich. In anderen Ländern wohnen auf weniger Raum Großfamilien – vielleicht auch in Deutschland. Ich denke dabei auch an die vielen Flüchtlinge, die in Turnhallen und anderen Provisorien mit hunderten fremden Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen. Ich kann jetzt durchaus nachvollziehen, dass da mal Aggressionen aufkommen. Am Donnerstagmorgen bin ich nämlich kurz aggressiv geworden. Früh morgens wird laut der Fernseher angemacht, irgendjemand zieht dauernd laut die Nase hoch, in der Küche wird geschrien, die Kinder weinen… Das alles bekommt man einfach mit, ob man will oder nicht. Dann kommt noch der Kulturschock hinzu und im Fall der Flüchtlinge Traumata, Angst … Meine Nerven hat das extrem strapaziert, weshalb ich auch entschieden habe, frühzeitig umzuziehen. 
Nach drei Jahren allein wohnen in Konstanz mit „paradiesischer“ Ruhe erscheint einem der Lärm hier nur noch lauter. Ruhe ist auch Luxus. Und ich bin grundsätzlich ein Mensch mit großem Ruhe- und Privatsphäre-Bedürfnis. Ruhiger ist es in meinem neuen Apartment leider auch nicht. Wirkliche Ruhe gibt es hier leider – zumindest in der Stadt – nicht. Ich werde mich also gewöhnen müssen. Um noch einmal zu den Flüchtlingen zurückzukommen: Ich habe mir das hier wenigstens ausgesucht, ich bin hier, weil ich das so wollte und auch dieses Leben hier, dass so anders ist von dem, was ich gewohnt bin, kennenlernen möchte. Ich kann sicher noch nicht annähernd nachempfinden, was Menschen durchmachen, die in Deutschland und anderen Ländern als Flüchtlinge ankommen, aber mein Verständnis ist hier durch meine aktuellen Erfahrungen noch einmal gewachsen. Und die sprachliche Barriere ist ja hier leider für mich auch größer als gedacht und gehofft. Ich bekomme schon ein wenig Angst vor Russland – meine Russischkenntnisse sollten sich noch stark verbessern, bevor ich da hingehe. Man ist sonst so hilflos und echt auf das Wohlwollen der anderen angewiesen.

Im Grunde sollte diese Erfahrung jeder Mensch einmal machen. Fremd in einer Kultur sein, eine Sprache nur schlecht bis gar nicht beherrschen und sich dann einfinden und integrieren müssen. Wenn man sich darauf einlässt, kann das eine so lehrreiche Erfahrung sein, die Verständnis, Demut und Toleranz fördert. Man kann es natürlich nicht verpflichtend machen, aber 6-12 Monate im Ausland nach dem Abitur, halte ich schon für eine gute Sache. Ich muss sagen, dass ich die weltwärts-Freiwilligen und jeden, der sowas nach dem Abitur macht, echt bewundere. Sie sind noch so jung und verbringen hier ein ganzes Jahr, um Freiwilligenarbeit zu leisten. Ich weiß nicht, wie ich das hier mit 18 weggesteckt hätte. Inzwischen habe ich ja doch schon einiges mehr an Lebenserfahrung und Gelassenheit als vor knapp 10 Jahren. Ich bin sicher, dass es für sie ein prägendes Jahr wird.

Ich muss gestehen, dass ich den Kulturschock tatsächlich unterschätzt habe. Ich habe unterschätzt, wie viele neue Eindrücke ich hier verarbeiten muss und wie anders das Leben hier ist – im Kleinen und Großen. Aber ich werde mich daran gewöhnen und der Umzug ist ein weiterer Schritt für mich hier ein „richtiges“ dominikanisches Leben zu führen.
Ich würde mir hier dafür auch gern noch einen Alltag außerhalb der Arbeit aufbauen. 

Gestern war ich wieder im Gottesdienst. Um 18.40 Uhr ist noch niemand da (offiziell geht es um 18.30 Uhr los). Also schaue ich noch schnell nach, wohin ich umziehen werde und wie weit ich dafür laufen muss. Nicht so weit. Auf dem Rückweg bleibe ich an der Iglesia Pentecostal Misionaria stehen, aus der „Feiert Jesus“ auf Spanisch erklingt. Immer wieder cool, bekannte Lieder zu hören. 


Die Kirche ist auch eine dieser winzigen Wohnzimmergemeinden auf geschätzt 15qm, in denen ein paar Gartenstühle aufgestellt werden. Ich genieße noch ein bisschen die Aussicht und gehe dann runter zu „meinem“ Gottesdienst. Es ist leerer als vor zwei Wochen, aber nicht weniger inbrünstig. Ich erkenne Florangel und setze mich neben sie. Diesmal habe ich zum Glück Oropax mitgebracht, um die Lautstärke zu dämpfen. Ich finde es extrem anstrengend zuzuhören und allem zu folgen, was gesagt wird. Teilweise schweife ich deshalb wohl auch ab. Denn plötzlich schauen mich alle, inklusive Prediger an der Kanzel, erwartungsvoll an. Und ich hab nicht mitbekommen, was er gesagt hat und von mir will. Schnell Oropax raus und fragend gucken. Ich verstehe auch nicht alles, als er es wiederholt, aber er hat mich wohl als Schwester aus dem Ausland vorgestellt und ich soll was sagen. Als sag ich schnell und weniger eloquent als ich es gern hätte ein paar Sätze über mich und ernte dafür immerhin auch ein, zwei „Gloria a dios, Halleluja“. Eigentlich wollte ich mich noch erklären, aber ich halte es nicht bis zum Ende durch. Zwei Stunden Predigt auf Spanisch mit zeitweise extremer Lautstärke ist doch recht anstrengend. Also gehe ich kurz vor Schluss nach Hause. 3 Sätze/Bibelstellen habe ich aber immerhin für mich mitgenommen. Ich würde mir hier gern noch andere Gemeinden anschauen, vielleicht gibt es ja sogar irgendwo einen Chor :)

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