Dienstag, 2. Januar 2018

Looking back, looking ahead ...


Eigentlich ist der 31. Dezember ja ein Tag wie jeder andere. Nur, dass eben irgendwann festgelegt wurde, dass an diesem Tag das Jahr endet und um Mitternacht das neue beginnt.


Ich kann ehrlich gesagt kaum glauben, dass 2017 schon rum sein soll. Was für ein Jahr! Einerseits erscheint es mir bei all dem, was ich dieses Jahr erlebt habe schon realistisch, dass es ein Jahr war, aber andererseits ging es so schnell. Da hat man so lange geplant und vorausgeschaut und plötzlich ist die Hälfte schon rum. Zwei Jahre erschienen mir noch vor einem Jahr so eine lange Zeit (siehe Vorabendliche Gedanken). Und jetzt sitze ich hier am 1. Januar 2018 in Kanada in einem kleinen Bible College in Zentralalberta abends in der Cafeteria auf der Couch und schreibe einen Jahresrückblick.

Happy New Year!

Wie fasst man ein Jahr zusammen? 

In Ländern?: Deutschland, Dominikanische Republik, Deutschland/Schweiz, Österreich, Deutschland, Kanada




Oder in Zahlen?:
Ich habe in 4 Ländern an 31 verschiedenen Orten in 35 Zimmern gewohnt. An 16 der Orte und in 17 Zimmern länger als eine Woche. Dabei hatte ich insgesamt um die 150 verschiedene MitbewohnerInnen, teils im selben Zimmer, teils in einem Haus. Ohne die Gäste und Zeiten in Hostelzimmern mitzuzählen, die nur zeitweise waren, waren es ca. 80. Minimum an Mitbewohnern an einem Ort war 1, Maximum 16, bzw. ca 50, wenn man das Campus Experience Wochenende am College mitrechnet. Ich hatte 14 Hunde, 17 Katzen, ca. 150 Hühner, 6 Pferde, 13 Kühe, 10 Schweine, 16 Schafe und 1 Ziege. Wieviele Stunden ich insgesamt unterwegs war und wie viele Kilometer ich gereist bin, habe ich nicht ausgerechnet, das würde jetzt zu viel Zeit in Anspruch nehmen, auch wenn ich ursprünglich mal vorhatte es auszurechnen und es auch interessant fände. Aber dazu müsste ich nochmal alle Tagebücher durchlesen, um die Reisezeiten zu finden und lange an google maps sitzen für die Kilometer. Die Fotos habe ich auch nicht gezählt. Es sind tausende.

Nicht quantifizierbar sind die Begegnungen, Eindrücke und Erlebnisse. Es war ein großartiges Jahr, das meine Erwartungen und Planungen bei Weitem übertroffen hat. Man kann beim Reisen vieles hinter sich lassen, aber sich selbst nimmt man immer mit. Da ich vor allem allein gereist bin, hatte ich die Chance mich in verschiedensten Situationen besser kennenzulernen und daran zu wachsen. Ich scheine prädestiniert dafür zu sein so zu reisen, da ich schon von Kindheit an nie Heimweh hatte und mich immer schon gut selbst beschäftigen konnte. Es macht mir nichts aus allein unterwegs zu sein und wenn ich mal Gesellschaft haben will, fällt es mir nicht schwer Menschen anzusprechen. Wenn man immer wieder den Ort wechselt und mit verschiedensten Menschen zusammenwohnt ist Anpassungsfähigkeit und Flexibilität gefragt, aber auch ein Gespür dafür, was man selber für Ansprüche und Erwartungen jeweils mitbringt und welche davon nicht verhandelbar sind. Und dann liegen verschiedene Herausforderungen im kurzzeitigen und langfristigen Zusammenleben. Eine Woche oder acht Monate machen schon einen Unterschied. In einer Woche muss man sich nicht besonders mit sich oder den anderen auseinandersetzen. Aber bei acht Monaten lernt man sich gut kennen, da sieht man sich in jeder Laune und Tagesform. Ich habe hier am College den Wert und die Schönheit vom Zusammenleben und Leben teilen in christlicher Gemeinschaft noch einmal neu kennengelernt und freue mich auf die weiteren Monate. Außerdem fühle ich mich sehr schnell irgendwo zuhause und gewöhne mich sehr schnell ein. Normalerweise war ich schon nach der ersten Nacht angekommen und hatte das Gefühl schon länger da zu sein. Außer vielleicht in der DomRep, wo die Eingewöhnung durch die andere Kultur etwas länger dauerte. Mit manchen Menschen ist man auch auf Anhieb kompatibel und mit anderen braucht es etwas länger. Generell hat sich aber die Auswahl meiner GastgeberInnen und auch die Wahl der Aufenthaltsdauer als sehr gut herausgestellt. Daran hatte ich aber auch nicht gezweifelt, denn ich hatte die Reiseplanung ja auch in Gottes Hände gelegt. Und er hat es besser gemacht, als ich das hingekriegt hätte. So hatte ich mir ja anfangs eine Reihenfolge für's Wwoofen überlegt, die aber teilweise den Gastgebern nicht passte, sodass ich rumschieben und tauschen musste. Wodurch ich dann letztendlich immer zur richtigen Zeit überall war. Bei Marion und Tony in der Woche, wo die ganzen Tänze, der Ceilidh und die zwei Konzerte waren, bei Hana in der Woche, in der das Festival stattfand, von wo aus mich Adrienne mit zur nächsten Station genommen hat. In der Woche auf PEI, in der ich in der Jurte wohnte und keine Gastgeber vor Ort hatte, habe ich Nancy kennengelernt, die im Prinzip diese Rolle übernommen hat und mit der ich immer noch Kontakt habe. Über Janelle auf PEI habe ich Kontakt zu Anne-Charlotte in Cape Breton bekommen. Durch den Wegfall einer Station in Québec bin ich nochmal zu Janet und Derek gekommen (Eintrag fehlt noch), was sehr cool war. Und letztendlich bin hier auf dem Bible College angekommen, wo es mir so gut gefällt, dass ich meine Pläne angepasst habe und 4,5 Monate länger bleibe als geplant. Ich bin oft gefragt worden, wie ich denn aus Deutschland auf dieses kleine kanadische Bible College aufmerksam geworden bin. Gott?! Ich hab, glaub ich "bible college canada music" gegoogelt und das war einer der ersten Treffer. Und ich bin definitiv am richtigen Ort gelandet.

Ich schaue sehr dankbar auf 2017 zurück und nehme einen reichen Schatz an Erinnerungen mit ins neue Jahr. Ich habe in den letzten Tagen nochmal meine alten Blogposts gelesen. Dabei ist mir mal wieder aufgefallen, wie wertvoll es ist, aufzuschreiben was man erlebt, denn vor allem Details vergisst man so schnell. So hatte ich beispielsweise total vergessen, dass ich am Vorabend meiner Abreise in die DomRep vor fast genau einem Jahr ein Foto eines Bibelverses gepostet hatte, der bei uns zuhause auf einem Sprüchekalender im Bad stand und der mir im September hier im Bible College wieder begegnet ist und jetzt in meinem Zimmer an der Wand hängt: 
"Verlass dich auf den HERRN von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen." (Sprüche 3, 5-6 LUT)

Aus meiner Erfahrung dieses Jahr kann ich nur sagen, dass ich erleben durfte, wie ich recht geführt wurde. Und so nehme ich den Ratschlag auch mit ins neue Jahr. Ich weiß nicht genau, was dieses Jahr bringen wird. Alles was ich bisher weiß, ist, dass ich für ein weiteres Semester hier am College sein werde und dass ich für den 10. Mai einen Flug von Calgary nach Amsterdam gebucht habe. Was ich ab Mitte Mai mache? Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Im Hinterkopf steht noch der Plan, der auch im Untertitel meines Blogs steht: nach Italien und Russland zu gehen. Neuseeland habe ich schon ein wenig zurückgesetzt. Ich habe mich aber auch auf eine ab Mai in Deutschland ausgeschriebene Stelle beworben, einfach um Gott die Möglichkeit zu geben, sie mir zu geben, wenn das so sein soll. Wenn nicht ist etwas Anderes dran. Keine Ahnung, was das ist, aber ich weiß, dass es gut sein wird. Nicht unbedingt einfach oder bequem. Aber gut und das Richtige. Meine Geburtstagslosung dieses Jahr steht in Psalm 25 : "Wie steht es mit dem Menschen, der den Herrn ernst nimmt? Der Herr wird ihm den Weg zeigen, den er gehen soll. Mit Gnade und Treue leitet der Herr alle, die seinen Bund halten und seinen Geboten gehorchen." (Psalm 25, 12;10 NLB)  

Ich weiß, dass "Geboten gehorchen" irgendwie komisch klingt. So fremd und nach erhobenem Zeigefinger. In meinem letzten Eintrag ist aber schon angeklungen, worum es dabei im Kern geht (Markus 12, 30-31). Nicht um eine lange Liste von Verboten. Leider wird das Christentum ja oft so gesehen. Als eine Religion, die einem vorschreibt, was man zu tun und zu lassen hat, um einem Gott zu gefallen und dann vielleicht auch mal in den Himmel zu kommen, wenn man gut genug war. Verboten ist natürlich so gut wie alles, was scheinbar Spaß macht. Das ist aber ein großes und tragisches Missverständnis. Denn es ist eigentlich eine wunderbare Einladung zu einer Beziehung und zu einem Abenteuer, das sich nicht auf dieses Leben beschränkt. Und die "Gebote" sind dazu quasi die Gebrauchsanweisung, die Anleitung für ein gutes Leben in Fülle miteinander auf dieser Welt und darüber hinaus, geschrieben vom Erfinder des Lebens. 

Neben meiner physischen Reise bin ich auch auf dieser Reise. Zu lernen, was es heißt "den Herrn ernst zu nehmen" und "Gott zu lieben". Dabei steht mein Verstand manchmal im Weg und fragt mich, was das soll und wie das sein kann und ob das wirklich alles Sinn ergibt. Unser Verstand hat heute eine so hohe Stellung, dass seine Stimme meist am lautesten klingt, so laut, dass man fast meinen könnte, er wäre die einzige Stimme, die es gibt. Die einzige, der man zuhören kann und der man folgen sollte. In der Bibel findet sich aber ein anderer Ansatz. Sich mal nicht auf seinen eigenen Verstand verlassen, sondern auf Gott. Der Verstand sagt da natürlich direkt: "Gott? Bibel? Wirklich? Wieso?". Die Antwort liegt in einem dem Verstand vertrauten Instrument, dem Experiment. Probier es aus. Was passiert, wenn ich einfach mal annehme es stimmt, so als Hypothese, und es teste. Einfach mal so tun, als gäbe es Gott und sich auf ihn verlassen. Ich meine, was ist dieser Verstand eigentlich? Hat den schonmal jemand gesehen? Wer sagt mir, dass der die höchste Autorität ist, auf die ich mich verlassen kann? Nur mal so als Gedankenspiel. Ich kann nur sagen, dass mein Experiment die Hypothese für mich bestätigt. Ich bereue keinen Schritt auf dem Weg und ich schaue mit freudiger Erwartung auf dieses kommende Jahr 2018. Auch wenn ich noch nicht sehen kann, wo der Weg lang geht, kenne ich doch die Richtung und - was am Wichtigsten ist - ich weiß, wer an meiner Rechten mitgeht und dass er den Weg kennt.

"Die Straße gleitet fort und fort, weg von der Tür, wo sie begann, weit über Land, von Ort zu Ort, ich folge ihr, so gut ich kann, zur Ferne hin, zu fremdem Ort, ihr folge denn, wer wandern kann und einem neuen Ziel sich weih’n. Ihr lauf' ich raschen Fußes nach, bis sie sich groß und breit verflicht' mit Weg und Wagnis tausendfach. Und wohin dann? Ich weiß es nicht. Um die Ecke kommt’s mir vor, da führt noch ein geheimes Tor zu Pfaden, die wir nie gesehn, es kommt der Tag, da muss ich gehn und unbekannte Wege ziehn." :)
(adaptiert nach J.R.R. Tolkiens Lied "Die Straße")


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