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White Christmas - may your days be merry and bright! |
Weihnachten nicht zuhause zu sein birgt die Chance sich auf den Kern des Festes zu besinnen, ohne das ganze Drumherum, das man sonst so damit verbindet. So schön es ist, die Familie zu treffen, den Baum zu schmücken, Plätzchen zu essen und Geschenke auszupacken, geht es an Weihnachten ja doch um etwas anderes. Um jemanden, der sein Zuhause verließ, um das beste Geschenk überhaupt zu bringen: Jesus. Der Grund, warum wir Weihnachten feiern, der Grund für unsere Freude. Wenn wir aufmersam sind, weist alles Drumherum auf ihn hin: die Geschenke, die Licher und Kerzen, die Gemeinschaft mit den Menschen, mit denen wir feiern ... Durch das Devotional von Our Daily Bread am 21. (https://unsertaeglichbrot.org/2017/12/21/weihnachten-zu-hause/) wurde mir bewusst, wie sehr die Weihnachtsgeschichte tatsächlich auch eine Geschichte von Menschen ist, die nicht zuhause sind. Das erste Weihnachten: Jesus verlässt sein Zuhause, den Himmel, um als Baby geboren zu werden. Er wird einer von uns, damit wir wieder eins mit Gott werden können. Maria und Joseph verlassen ihr Zuhause in Nazareth und ziehen nach Bethlehem, wo Jesus geboren wird, von wo aus sie später nach Ägypten fliehen müssen. Die Weisen aus dem Morgenland (die Zahl 3 findet sich in der Bibel übrigens nicht, traditionell hat man sich nur auf 3 Heilige Könige festgelegt, weil es 3 Geschenke gab - kleine theologische Randbemerkung der Bibelstudentin) verließen ihre Heimat und folgten einem Stern der sie zum neugeborenen König führen sollte. An Weihnachten nicht zuhause zu sein hat also quasi biblische Wurzeln.
Samstagabend haben Danielle und ich zusammen ein veganes Weihnachtsessen gekocht, damit wir auch ein gutes Weihnachtsessen haben, wo auch immer wir sind. Leider hat sie ihren Teil im Abreisestress dann hier vergessen. Ofenkartoffeln, Möhren, Rote Beete und eine vegane Sausage Roll mit einer Füllung aus Pilzen, Zwiebeln, Parsnip, Bohnen und diversen weiteren Zutaten.
Beim Kochen erfuhren wir dann per E-Mail, dass der Gottesdienst am nächsten Morgen, dem 24., wegen schlechter Straßenverhältnisse ausfallen würde, was sowohl mich als auch Danielle traurig gemacht hat - für sie wäre es der erste Weihnachtsgottesdienst überhaupt gewesen, da sie nicht aus christlichem Elternhaus kommt und für mich das erste Weihnachten ohne Gottesdienst. Dabei war oben in der Chapel schon alles so schön vorbereitet, für's Abendmahl und für den Lobpreis. Aber es hatte pünktlich am Donnerstag angefangen stark zu schneien und so erschien es den Pastoren wohl zu gefährlich alle herfahren zu lassen. Also sind Danielle und ich während die Sausage Roll im Ofen war, zu Stalwicks, dem Pastorenehepaar Anfang 80, das das College gegründet hat und auf dem Campus wohnt, rübergestapft, um zu fragen, ob wir dann zumindest zusammen einen kleinen Gottesdienst machen wollen. Sie saßen gerade mit der Köchin Anne und ihrem Mann Wayne beim Kartenspiel zusammen und wir haben uns für den nächsten Morgen um 10 Uhr verabredet.
Abends habe ich mich dann noch in der Chapel ans Klavier gesetzt und ein paar deutsche Weihnachtslieder gespielt, wobei dann doch ein wenig Heimweh hochkam. Was dann in zwei neuen weihnachtsthematischen Liedern resultierte - Silent Night und Emmanuel, inspiriert von zwei Our Daily Bread Devotionals (https://ourdailybread.ca/silent-night-soul/ und https://ourdailybread.ca/god-with-us/). Außerdem habe ich hier in den letzten Wochen auch ein Lied fertiggestellt, das ich Anfang des Jahres in der Dominikanischen Republik geschrieben, im April in Konstanz bei einem Freund aufgenommen und hier bearbeitet habe. Durch Beobachten meines Creative Arts - Kommilitonen, Levi, und Ausprobieren, kann ich nämlich jetzt mit der Musikprodutionssoftware Logic umgehen und es macht mir super viel Spaß damit herumzuspielen und Songs zu produzieren. Es wird also in nächster Zeit noch mehr davon geben: https://soundcloud.com/annaneymusic/focus
Am Morgen des Heiligabends, der hier anders als in Deutschland nicht der Hauptfeiertag ist, stapften wir dann durch den Schnee rüber zu Stalwick's Haus, wo wir zu sechst - Donna und Cliff Stalwick, Anne und Wayne und Danielle und ich - im Wohnzimmer zuerst Weihnachtslieder sangen, die Donna am Klavier und ich mit der Gitarre begleitete. Donna ließ mich auch zwei Strophen von "Stille Nacht" auf Deutsch vorsingen. Dann gab es einen kleinen Input von Cliff zum Impact von Weihnachten und danach Zeit, Gedanken zu Weihnachten zu teilen und zu beten. Wayne hatte eine Geschichte aus der Besiedlungszeit im 19. Jahrhundert mitgebracht, in der eine Familie von Gottes wundersamer Versorgung zum Weihnachtsfest berichtete, die ich vorgelesen habe und die sehr zu Herzen ging.
Als ich oben beschriebene Gedanken zum Thema "Weihnachten" und "Zuhause" geteilt habe, konnte ich mir dann auch ein paar Tränen nicht verkneifen. Das Schöne ist, dass hier niemand Angst hat vor Tränen. Sie werden als normaler Teil des Lebens hingenommen. Ich glaube, ich habe fast jede/n meiner KommilitonInnen schon weinen sehen und in der Chapel (und auch in anderen Gemeinden) steht immer eine Box Taschentücher bereit. Wenn jemand weint, gibt es immer eine hilfreiche Hand, die sie rüberreicht. Ich wünschte, das wäre überall so. Tränen sind so aus der Öffentlichkeit verschwunden, dass man fast das Gefühl bekommt, sie wären ungewöhnlich. Dabei gehören sie doch zum Leben dazu - seien es Tränen der Freude, der Trauer oder der Wut...
Wir beendeten den Mini-Gottesdienst dann mit einem Selfie der außergewöhnlichen Heiligabendgemeinde und Donna und Cliff bedankten sich bei Danielle und mir, dass wir sie dazu animiert hatten uns zu treffen.
(Das Selfie reiche ich an dieser Stelle noch nach, wenn ich es von Donna bekommen habe.)
Danach habe ich etwas Musik gemacht und das Weihnachtsoratorium gehört.
Um 13 Uhr war ich dann mit meiner Familie zum Skypen verabredet, was sehr schön war. Es ist schon toll, dass man heute die Möglichkeit hat per Videochat zu kommunizieren. Danach habe ich digital Weihnachtsgrüße verschickt und mein Päckchen von Elli aus Straßburg ausgepackt - ein durch den Versand etwas deformierter Marzipan-Lebkuchenmann.
Ein weiteres Weihnachtspäckchen hatte mich schon am Mittwoch von Nancy erreicht, die ich auf PEI kennengelernt hatte (ihr erinnert euch vielleicht). Sie schickte mir Wollsocken, dunkle Lindor-Schokolade, eine Karte mit Sticker-Schneemann zum selber basteln und eine Karte. Zwei Wochen zuvor hatte ich von ihr schon ein Paket mit dem Buch "Beautiful Outlaw" von John Eldredge bekommen, nachdem wir darüber bei facebook gesprochen und ich erwähnt hatte, dass wir Auszüge davon im Kurs "Lifestyle of Worship" gesehen hatten. Ich hatte ihr und meinen anderen Gastgebern auch eine Karte geschickt. Insgesamt 22 Karten habe ich am 14.12. geschrieben und am 15.12. abgeschickt. In Kanada kamen sie rechtzeitig zu Weihnachten an, in Deutschland dann am 27.
Im Laufe des Heiligabends reisten dann auch Cole und Danielle ab und ließen mich allein am College zurück. Danielle gab mir vorher noch eine Winterjacke, Handschuhe und ein Geschenk - ein in Leder gebundenes Notizbüchlein mit einem Stift aus Glas und goldener Tinte, dass sie in Rom gekauft hat.
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"Home alone" - Anna allein zuhaus |
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Vor dem Weihnachtsbaum in der Chapel am Heiligabend |
Am 1. Weihnachtstag bzw. Christmas Day, dem Hauptweihnachtstag hier, war ich dann morgens um 9 Uhr auch wieder zum Skypen verabredet, diesmal mit der erweiteren Familie (Mama, Papa, Schwester plus Oma, Onkel, Tante, Cousins) die sich dieses Jahr bei uns Zuhause traf. Ich habe mich dazu in die Cafeteria gesetzt und saß zuhause im Laptop quasi mit am Esszimmertisch und konnte mich so mit allen unterhalten und dabei sein. Meine Oma spielte Weihnachtslieder auf der Mundharmonika, bei denen ich mitsingen konnte. Sie fragte, wie ich bloß so weit weg sein könnte (Luftlinie sind es übrigens knapp 7.300km), ob ich schon einen Freund hätte und ob ich denn Weihnachtsgeschenke bekommen hätte. Weil ich in ein Flugzeug gestiegen bin und es hier schön ist, nein, ja :) Das nächste Mal werde ich alle wohl am Muttertag sehen. Mein Rückflug ist ja so gebucht, dass ich dafür rechtzeitig wieder in Deutschland sein werde. Nachdem wir unser Gespräch nach fast 2 Stunden beendet haben, frühstücke ich und dann haben wir spontan über facebook einen Gruppen-Video-Chat mit ein paar Leuten vom College, der auch eine gute halbe Stunde dauert. Danach habe ich die Zeit für ein paar Weihnachtsselfies mit Weihnachtsbaum und Kanada-Mütze, die ich auch von Carilee bekommen habe, genutzt:
"As you savor a candy cane this Christmas, say 'danke schön' to the Germans, for that confectionary treat was first created in Cologne." You're welcome - gern geschehen

(https://ourdailybread.ca/traditions-and-christmas/)
Den frühen Nachmittag nutze ich dann, um Sprachnachrichten anzuhören und zu beantworten und mache mir etwas Suppe und einen Pfannkuchen von letztem Samstag aus dem Restekühlschrank zum Mittagessen warm.
Um 15 Uhr kamen mich dann Glenn und seine Familie - Frau Julie, 3 kleine Kinder und Schwester - abholen und wir sind zu Laura und Andrew gefahren - wobei Andrew zu der Zeit noch am College war und versuchte, dafür zu sorgen, dass wir im Girls' und Guys' Dorm wieder fließendes Wasser haben. Was erstmal nicht klappte, weil ihm das Teil fehlte. Es gab Snacks - Rohkost, Dips, Bruschetta, Knabberzeug und Kekse. Von Laura und Andrew bekomme ich eine Tasse mit Tee und heißer Schokolade geschenkt. Während die Männer und die Kinder draußen im Whirlpool sind, schauen wir Frauen drinnen einen vorhersehbaren Weihnachts-Liebesfilm von Hallmark, der angeblich in New York spielt, aber in Toronto gedreht wurde, wie ich tatsächlich auf den ersten Blick vermutet hatte. Irgendwie kam mir die Stadtszene bekannt vor. Gegen 19 Uhr fahren Glenn und Julie, weil sie am nächsten Tag nach BC fliegen. Ich bleibe noch und spiele mit Andrew und Laura Rommé. Gegen 21.30 Uhr fährt Laura mich dann zurück zum College. Es ist die kälteste Nacht bisher: -34°C, ohne Windchill. Da das Wasser im Dorm noch nicht wieder fließt, beschließe ich die Nacht in Danielle's Cabin zu verbringen. Dann kann ich auch Kitty, ihre Katze, auf die ich während der Ferien aufpasse gegebenenfalls rauslassen. Eigentlich wollte Danielle einfach das Fenster auf Kipp stehen lassen, sodass Kitty selber rein und raus kann, wie sie will. Aber Andrew hat es zu gemacht, damit die Rohre nicht einfrieren. Da es kein Katzenklo gibt, muss Kitty aber ab und zu raus.
Nachdem ich in der Chapel noch etwas Musik gemacht habe, suche ich mir also meine Schlafsachen zusammen und ziehe um. Als ich rüberlaufe, sehe ich eine Sternschnuppe. Vor ca. 10 Tagen waren wir nachts auch draußen, weil ein Meteoritenschauer angekündigt war und wir haben tatsächlich dutzende gesehen, bis es zu kalt und zu spät wurde.
Kitty scheint sich zu freuen. Es ist ziemlich frisch in der Cabin und ich mummele mich in mehrere Decken und einen Schlafsack und schlafe gegen 1 Uhr.
Der 2. Weihnachtstag ist hier gar kein wirklicher Feiertag mehr. Der sogenannte Boxing Day wird hier zum Shoppen genutzt. Nicht von mir allerdings. Ich stehe erst nach 11 Uhr auf. Es ist ein schöner sonniger Tag, mit klarem blauem Himmel. Und es ist knackig kalt.
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Eiszapfen an Danielle's Cabin - ich find Eiszapfen immer wieder faszinierend |
Cole ist wieder da und ich treffe ihn beim Schneeschippen an. Ich schnappe mir auch eine Schippe und räume den Weg vom Office bis zur Chapeltür. Obwohl ich Danielles zwei Paar Handschuhe übereinander anhabe, wie sie es mir gesagt hat, tun mir meine Hände am Ende schon von der Kälte weh. Danach beginne ich den Tag mit einem späten Frühstück und dem ZDF-Fernsehgottesdienst vom 26.12.2015 aus München per youtube. Dabei merke ich, wie sehr doch Deutschland und die evangelische Tradition in mir verwurzelt sind. Danach nehme ich mir Zeit zum Bibellesen und beten in der Chapel.
Ich verbringe den restlichen Tag im Prinzip auf dem Sofa in der Cafeteria, unterbrochen von Stippvisiten bei Kitty. Ich beantworte Nachrichten, schreibe einen Blogpost und lese das Buch "The Singer" von Calvin Miller aus - eine auf den Evangelien basierende Allegorie in Versform. Jesus ist "The Singer", das Evangelium "The Song". Es gibt zwei Folgebände "The Song", der die Apostelgeschichte nacherzählt und "The Finale", dem die Offenbarung zugrunde liegt. Zum Abendessen mache ich mir die zweite Portion Weihnachtessen warm und schaue danach über youtube "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Dabei fällt mir wohl zum ersten Mal auf, dass die Schauspieler alle viel zu dünn angezogen sind. Der Prinz und seine Freunde tragen im Schnee dünne Strumpfhosen und Aschenbrödel reitet im Seidenkleid mit Seidenmantel durch die Winternacht ...
Danach gehe ich nochmal rüber zu Kitty und lese drei Weihnachtsgeschichten aus dem Buch mit Weihnachtsgeschichten aus aller Welt, das Mama mir im Adventspaket geschickt hatte. Ich lese die Geschichten, laut, weil das irgendwie Spaß macht. Ich lese gern vor und so hat Kitty auch was davon. Obwohl ich nicht sicher bin, ob sie Deutsch versteht. Meistens rede ich, glaube ich, Englisch mit ihr. Hier sind es in dieser Nacht auch wieder unter -30°C. Immerhin hat Andrew das Wasserproblem heute beheben können und ich ziehe wieder zurück in mein Zimmer. Und so endet meine erste Weihnacht in der Ferne.
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